Ein Hörer wollte wissen wie und wo man überhaupt Anleihen kauft. Seine Frage ist sehr berechtigt. Denn da beginnt schon die Diskriminierung der Kleinanleger. Anleihen kauft man so wie Aktien in der Regel nicht direkt vom Staat oder dem Unternehmen, sondern über die Börse, also auf dem Sekundärmarkt. Doch während an der Börse auch Kleinanleger:innen alle Aktien kaufen können – vielleicht mit einigen wenigen Ausnahmen wie die Sprüngli-Aktie, wo man für das Stück stolze 99.800 Franken berappen muss. Oder der A-Aktie von Berkshire Heathaway, die aktuell 476.880 US-Dollar kostet. Hingegen können Kleinanlegerinnen von den tausenden börsennotierenden Anleihen am Markt wenn es hochkommt 20 Prozent erwerben. Das hat zwei Gründe: Wenn Unternehmen Anleihen auch für Privatanleger:innen auflegen wollen, müssen sie umfangreiche Informationsblätter, sogenannte PRIIPS erstellen. Den Aufwand sparen sich die meisten Unternehmen. Zum anderen muss es zu jeder Anleihe in der EU ein kostspieliges Verkaufsprospekt geben, außer die Stückelung beträgt mindestens 100.000 Euro. Also legen Unternehmen, die ihre Papiere ohnedies bei Fonds, Pensionskassen und Versicherungen unterbringen gleich Tranchen in sechsstelliger Höhe auf, die für Kleinanleger nicht erschwinglich sind. Daraus könnte man schließen, dass Unternehmen und Staaten nur dann Anleihen für Private auflegen, wenn sie ihre Papiere sonst nicht an die Frau oder den Mann bringen. Erschwerend für die Privatanleger:in kommt die für sie sehr mühsame Suche nach der passenden Anleihe hinzu. Man kann sich zwar mit den Suchfunktionen der Börsen und Finanzplattformen durch das riesige Anleiheangebot mit verschiedensten Stückelungen, verschiedensten Kursen und unterschiedlichsten Laufzeiten kämpfen. So grenzt man das Mega-Angebot zumindest etwas ein. Allein in Wien sind rund 12.800 Anleihen, an der Börse Stuttgart über 21.000 verschiedene Schuldverschreibungen notiert. Man kann in der Regel aber nicht filtern, welche der Anleihen auch Kleinanlegern zur Verfügung stehen. Jetzt kann man argumentieren, man kann sich ja einen Anleihen-ETF als Privatinvestor kaufen kann. Doch auch das ist komplexer als bei Aktien. Bei ETFs werden naturgemäß jene Aktien oder Anleihen mit großer Marktkapitalisierung stärker gewichtet. Bei Anleihen macht das aber wenig Sinn, dass man in die größten Anleiheemissionen stärker gewichtet ist. Große Schuldner sind nicht unbedingt ausfallssicherer. Bei Anleihefonds bevorzuge ich deshalb sogar gemanagte Fonds, was ich bei Aktien selten tue. Was für den Kleinanleger auch noch erschwerend hinzu kommt ist, dass die Anleihenmärkte nicht so liquide sind wie Aktienmärkte und man nicht jederzeit so leicht aussteigen kann und oftmals Geld verliert, wenn man die Anleihe nicht bis zum Ende der Laufzeit behält. Auch können Private über ihren Diskontbroker oftmals Aktien schon recht günstig kaufen, für Anleihen sind die Gebühren aber nicht so günstig, weil sie darauf nicht spezialisiert sind. Nicht, dass Anleihen nicht auch im Portfolio des Privatanlegers seine Berechtigung haben, sei es in Reinform oder auch als Bestandteil eines Fonds. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass Anleihen nicht weniger komplex, wenn nicht komplexer als Aktien sind, da der Ertrag nicht ihre Verzinsung alleine, sondern die Rendite ist. Die setzt sich aus dem Kursgewinn oder womöglich dem Kurs-Verlust bei Verkauf vor Endfälligkeit bzw. bei einem Kaufkurs über dem Nennwert und der Verzinsung zusammen. Auch finde ich, dass man Privatanleger mit den umfangreichen Dokumentationspflichten weniger schützt als diskriminiert. Weil man ihnen damit auch ein sehr großes Stück des Anleihe-Kuchens vorenthält.
Dies ist keine Anlageempfehlung, nur die persönliche Meinung der Autorin, die keine Haftung für Gesagtes und Geschriebenes dieser Episode der Börsenminute übernimmt.
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