Warum US-Investoren jetzt Europa-Aktien lieben

Also, wenn einmal das ur-amerikanische Investment-Magazin Barron´s in einem ihrer Podcastfolgen Europa-Aktien empfiehlt, ja dann möchte ich Euch die Gründe hierfür nicht vorenthalten. In erster Linie ist es natürlich der günstigere Preis der europäischen Aktien gegenüber amerikanischen. Ein gewisser Abschlag wäre grundsätzlich ja gerechtfertigt, weil die US-Unternehmen im Allgemeinen einfach höhere Gewinne schreiben. Nur so starke Abschläge wie wir sie derzeit zwischen den Börsen dies- und jenseits des Atlantiks sehen ließe sich fundamental einfach nicht rechtfertigen,

Der US-Leitindex S&P 500 notiert bei 18/19, der deutsche Leitindex DAX bei günstigen neun. Noch stärker könne man die Unterbewertung der europäischen und die Überbewertung von US-Titel am Abstand der Aktienbörsen zu den Renditen an den jeweils lokalen Anleihenmärkten sehen. So liegen die Gewinn-Renditen von US-Aktien, also der Gewinn im Verhältnis zum Aktienkurs derzeit 40 Basispunkte über der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen, die bei 4,6 Prozent rentieren. In Deutschland beispielsweise erzielt man hingegen mit zehnjährigen Staatsanleihen gerade einmal 2,65 Prozent, die Gewinn-Rendite von deutschen Aktien liegt bei 11 bis 12, das sind rund 800 Basispunkte über den deutschen langlaufenden Staatsanleihen.

Selbst im verschuldeten Frankreich rentieren die Staatsanleihen nur bei 3,25 Prozent und sogar italienische und griechische Staatsanleihen werfen mit 4,5 und 3,9 Prozent Rendite deutlich weniger ab wie US-amerikanische Staatsanleihen. Damit sind Anleihen in den USA eine viel größere Konkurrenz zu Aktien als in Europa.

Das hat schon Gründe, warum die Kurse von US-Anleihen so stark gefallen und damit die Renditen gestiegen sind: In den USA beträgt das Budgetdefizit fünf bis sechs Prozent. Das Budgetdefizit in Deutschland liegt gerade einmal bei drei Prozent. Für 2024 streben die Deutschen sogar ein ausgeglichenes Budget an.

Europa werde derzeit auch geopolitisch abgestraft, weil der Ukrainekrieg im Gange ist. Nur: die großen Player wie Mercedes, Siemens & Co seien zwar in Europa stationiert. Sie machen aber den Großteil ihrer Gewinne außerhalb von Europa.

Auch die Energie-Situation und die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl seien keine Argumente für die hohen Kursabschläge von europäischen zu US-amerikanischen Aktien. Europas Firmen gingen deshalb nicht pleite. Man habe sich sehr flexibel und auch mit staatlicher Hilfe auf andere Energiequellen und Lieferanten problemlos umgestellt. Der Gaspreise in Europa seien in Summe derzeit nicht mehr höher, wie vor der Russland-Invasion in die Ukraine.

Auch würden derzeit in Europa mehr Aktien zurückgekauft als in den USA, dem klassischen Buy-Back-Land. Europäische Unternehmen würden sich insgesamt deutlich mehr als früher um die Anleger bemühen. Das passiert zwar auch in Japan, aber nicht so schnell.

Vielleicht sollten wir unsere Aktienmärkte auch einmal durch die US-Brille betrachten…

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Rechtshinweis:
Dies ist die Meinunung der Autorin und keine Anlageempfehlung. Julia Kistner übernimmt hierfür keine Haftung.

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Foto: Unsplash/HenryLasaje